Mein Urteil: Ich war zum ersten Mal vor 20 Jahren in
Liverpool und 2016 wieder. Ich kann nur sagen, ich war verblüfft.
Liverpool ist eine rundum tolle Stadt und lohnt einen Besuch
In My Life, einer von John Lennons
sehr persönlichen Songs, wird Liverpool in einem imaginären
Bustrip besungen:
There are places i'll remember
All my life though some have changed
Some forever not for better
Some have gone and some remain
All these places have their moments
With lovers and friends i still can recall
Some are dead and some are living
In my life i've loved them all
Liverpool, an der Mündung des Flusses Mersey
gelegen hatte 2002 eine Bevölkerungszahl von 441.447, das Ballungsgebiet
1.362.026. Die Stadt war der wichtigste transatlantische Hafen im 19.
Jh., hat mehr als 2.000 historische Gebäude, eine Waterfront'
als World Heritage Site, eine weltbekannte Musikszene und war zudem
im Jahr 2008 European Capital of Culture'. J. B. Priestley beschrieb
die Stadt im frühen 20. Jh. als 'imposing, dignified and darkish,
like a city in a rather gloomy Victorian novel.'
Der historische Teil der Hafenstadt einschließlich der Touristenattraktion
Albert Dock wurde 2004 durch die UNESCO zum Welterbe erklärt. Auf
der anderen Seite des Flusses Mersey liegen Wallasey und Birkenhead.
Heute ist die Stadt durch die traditionsreichen Fußballvereine
FC Everton und FC Liverpool sowie durch ihre pulsierende Musikszene
bekannt, aus der in den 1960er Jahren unter anderem die Beatles hervorgingen.
Die Einwohner Liverpools werden offiziell Liverpudlians' genannt,
doch die Einheimischen nennen sich eher Scousers'. Sie sprechen
einen besonderen Dialekt, der Scouse' genannt wird. Der Name leitet
sich von von Labskaus', einem traditionellen Seemannsgericht her,
einem alten dänisch-norddeutschen Seeleutegericht. Liverpool ist
die einzige englische Stadt, in der das derbe, aus Pökelfleisch,
Kartoffeln, Matjes und Rote Beete gekochte Gericht zur traditionellen
Küche gehört. Scouse heißt der für Schulenglisch-Sprechende
oft kaum verständliche Dialekt. Scouse ist der gnadenlos sarkastische
Liverpooler Humor, Scouse ist die Hafenstadt-Mentalität und Scouse
ist auch die stolze Ablehnung der Vorherrschaft der Hauptstadt London.
Geschichte: Die Ursprünge von Liverpool gehen auf das Jahr
1207 zurück, der Aufschwung setzte aber erst 1698 ein, als das
Unterhaus den Stadtbewohnern das Recht erteilte, eine neue Kirche zu
bauen. Von diesem Zeitpunkt an begann der Aufstieg Liverpools zu einer
der wichtigsten Städte des Landes. Durch den zunehmenden Handel
mit den Westindischen Inseln begann die Stadt zu wachsen. Große
Profite aus dem Sklavenhandel trugen zum Wachstum und zum Wohlstand
bei. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden 40 Prozent des Welthandels
über den Hafen von Liverpool abgewickelt. Von hier fuhren viele
tausende Emigranten mit dem Schiff in die Vereinigten Staaten von Amerika,
um dort ein neues Leben zu beginnen. Große Mengen Stahl und Textilien,
in Städten wie Manchester, Sheffield oder Leeds produziert, wurden
von Liverpool in alle Welt verschifft.
Liverpool wurde im 19. Jahrhundert mit der Sklaverei mächtig und
war Ausgangspunkt des berühmten Slave Triangle'. Von hier
gingen Schiffe mit billigem Industrietand nach Afrika, wo dieser gegen
Sklaven eingetauscht wurde. Die Sklaven waren im Süden der USA
auf den Baumwollplantagen sehr gefragt, da sie im Gegensatz zu den Indianern
auch bei großer Hitze hart arbeiten konnten. Hier wurden die Sklaven
gegen die in den englischen Textilfabriken begehrte Baumwolle umgetauscht,
die nach Liverpool verschifft wurde.
Daneben wurde aber auch Zuckerrohr von den West Indies' importiert
und unter Henry Tate entstand 1869 eine große Zuckerraffinerie
in Liverpool, die er nach London expandierte und dort mit seinem Vermögen
1897 die Tate Gallerie gründet. Später wurde sie mit Lyle
zu Tate & Lyle zusammengeschlossen. Die Firma ist für ihre
Raffinerieprodukte bekannt und besonders für seinen Sirup. Lyle's
Golden Syrup Trademark' zeigt einen Löwen and einen Bienenschwarm
sowie ein Zitat aus der Bibel (Book of Judges',Kapitel 14).
1880 erhielt Liverpool das Stadtrecht. In der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts hielt das Wachstum an und die Stadt wurde ein Anziehungspunkt
für Einwanderer aus ganz Europa, vor allem Irland. 1930 zählte
die Stadt 850.000 Einwohner. Im Zweiten Weltkrieg wurde Liverpool von
deutschen Bomberverbänden erheblich zerstört. Die Ruine einer
Kirche wurde als Mahnmal nicht wieder aufgebaut. Nach dem Krieg folgte
ein großes Wiederaufbauprogramm mit zahlreichen neuen Wohnquartieren
und dem 1972 eröffneten Seaforth Dock, dem bedeutendsten Hafenprojekt
Großbritanniens. Doch bereits seit den 1950er Jahren nahm die
Bedeutung Liverpools als Hafen- und Industriestandort kontinuierlich
ab und die Einwohnerzahl sank bis 1985 auf 460.000.
Nationale Bedeutung erlangte zwischen 1984 und 1987 die Auseinandersetzung
zwischen der Tory-Regierung und dem Stadtrat von Liverpool, der unter
die Kontrolle von trotzkistisch eingestellten Teilen der Labour Party
geraten war. In der Folge kam es zu mehreren großen Demonstrationen
und Streiks. Der Konflikt wurde mit der Abschaffung des Stadtparlaments
durch Margaret Thatcher beendet. Die Situation zur damaligen Zeit wird
drastisch in dem Film Letter to Breshnev (1985) gezeigt,
in dem sich die zwei russischen Seeleute Peter und Sergej in die Fabrikarbeiterinnen
Elaine und Teresa verlieben. Elaine kann ihren Freund nicht vergessen
und schreibt einen Brief an Breschnev, ob sie in die Sowjetunion kommen
kann, denn schlimmer als in Liverpool kann es dort auch nicht sein.
Als Europas Kulturhauptstadt 2008 (neben Stavanger), erlebt die Metropole
im Nordwesten Englands eine triumphale Wiedergeburt. Liverpools neue
Blüte als Kulturhauptstadt.
Kulturhauptstadt 2008
Seit Jahren bereits ist Liverpool nach London die Stadt mit dem zweitgrößten
Kunstangebot im britischen Königreich. London füllte EU-Fördermittel
mit britischen Steuergeldern auf, und immer mehr private Investoren
kamen wieder in die heute mehr als 800 Jahre alte Stadt am Mersey. Im
Albert Dock gleich neben der nagelneuen Konzert- und Sporthalle Liverpool
Arena mit 10 000 Plätzen lädt die Kunstgalerie Tate Liverpool
ein Ableger der Tate London zu ausgiebigen Besuchen ein.
Restaurants, Hotels und Bars ziehen Tausende an. Hier beginnen Segelregatten
und Motorbootrennen, und im Merseyside Marine-Museum wird Seefahrtgeschichte
lebendig. Die tiefsten Eindrücke hinterlässt
das neue International Slavery Museum. Es setzt sich mit dem transatlantischen
Sklavenhandel auseinander, der Liverpool einst als größter
Umschlagplatz für die "Ware Mensch" zwischen Afrika und
Amerika zu enormem Reichtum verholfen hatte.
Wirtschaft: Nach dem industriellen
Niedergang der Stadt in den 1970ern und 1980er Jahren erholte sich die
Wirtschaft Liverpools allmählich. Besonders in den Bereichen Dienstleistungen
und Tourismus entstanden in den letzten Jahren zahlreiche Arbeitsplätze.
Die Stadt setzt vor allem auf die Kultur und die Popularität der
von hier stammenden Beatles. Die Albert Docks, 1846 eröffnet und
1972 für die Schiffahrt geschlossen, wurden in den 1980er Jahren
restauriert mit dem Merseyside Maritime Museum auf der Nordseite, der
Tate Liverpool, einer Zweigstelle der Tate Gallery im Norden und einem
Museum zur Geschichte der Beatles - The Beatles Story'. Jeder
Raum dieses Museums widmet sich einem neuen Abschnitt im Leben der Fab
Four'. Auffallend ist, dass zu jedem ihrer Lebensabschnitte auch ein
Album erstellt wurde, ein Raum ist ausschließlich John Lennon
gewidmet.
Von 1988 bis 1996 wurde von hier das ITV-Frühstücksfernsehen
This Morning ausgestrahlt. Das Wasser im Dockhafen wurde für die
Wettervorhersage benutzt: Weatherman' Fred Talbot machte die Wettervoraussage
von einer schwimmenden Karte der Britschen Inseln, wobei er gelegentlich,
wenn er nach Nordirland hinübersprang, auch einmal ins Wasser fiel,
sehr zur Freude der Zuschauer.
Der Cavern Club, am 16. Januar 1957 in der Mathew Street Nummer
10 eröffnet, war ein legendärer Rock-'n'-Roll-Club. Hier trafen
1961 Brian Epstein und die Beatles zusammen. Alan Sytner gründete
den Club, der nach dem Vorbild des Pariser Le Caveau' entstand.
Zunächst ein Jazzclub, wurde der Cavern bald die Heimat der Skiffle-Bands.
Anfang der 1960er traten Bluesbands und Beatgruppen im Cavern auf. Die
erste Beat-Nacht fand am 25. Mai 1960 statt, mit Rory Storm &
the Hurricanes', bei denen Ringo Starr am Schlagzeug saß. Cilla
Black, Sängerin und am besten bezahlte Fersehmoderatorin in der
Geschichte des englischen Fernsehens arbeitete an der Garderobe. 1961
hatten die Beatles ihren ersten Auftritt im Cavern Club, nachdem sie
aus Hamburg zurückgekehrt waren. Zwischen 1961 und 1963 traten
die Beatles 292 mal auf. In den folgenden Jahren gaben viele bekannte
Bands Konzerte im Club, darunter The Rolling Stones, The Kinks, The
Who, die Yardbirds, Elton John und John Lee Hooker. Im März 1973
wurde der Cavern Club geschlossen und das Gebäude beim Bau der
U-Bahn abgerissen. Joe Davey baute den Club neu auf, der im April 1984
die Pforten öffnete. Am 4. Dezember 1999 stellte Paul McCartney
im neuen Cavern Club sein Album Run Devil Run vor. Heute ist der Cavern
Club zu einem unscheinbaren Laden, der alles Möglich verkauft verkommen
- ein Besuch lohnt nicht.
Das Royal Liver Building' ist eines der Wahrzeichen von
Liverpool und wurde nach der Royal-Liver Versicherung benannt, welche
das Gebäude als Hauptsitz der Versicherung erbauen ließ.
Entworfen wurde es von Walter Aubrey Thomas und war eine der ersten
mehrstöckigen Stahlbetonkonstruktionen sowie eines der ersten Hochhäuser
Großbritanniens. Das Royal Liver Building' ist 90 m hoch,
hat 13 Etagen und wurde im Jahre 1911 fertiggestellt. Es gehörte
der Royal Liver Burial Society, die für eine angemessene Beerdigung
seiner Mitglieder sorgte. Heute beschäftigt die Royal Liver Assurance
900 Personen.
Es steht im bedeutsamen Hafengebiet Pier
Head am Mersey und ist eines der Three Graces', wie die
drei Gebäude zwischen St. Nicholas Place und Mann Island in Liverpool
genannt werden. Die zwei anderen Graces', Port of Liverpool
Building' und Cunard Building', stehen südlicher. Das Royal
Liver Building besitzt zwei Glockentürme, deren Zifferblätter
mit 7,6 Metern Durchmesser zu den größten in Großbritannien
zählen und nachts beleuchtet werden. Auf den obersten Kuppeln des
Gebäudes befinden sich die mythischen Liver Birds, die von
Carl Bernard Bartels entworfen wurden. Einer populären Legende
zufolge sind die Kormorane ein Männchen und ein Weibchen, das Weibchen
schaut zur See, ob die Seeleute sicher nach Hause kommen, während
das Männchen in Richtung Stadt sieht, um sicher zu stellen, dass
die Pubs offen sind. Die 5,5 Meter hohen Vögel aus Kupfer wurden
in kürzester Zeit zum Wahrzeichen Liverpools. Das Gebäude
ist heute der Hauptsitz der Royal Liver Friendly Society'.
Es gibt drei Tunnel unter dem Mersey hindurch nach Birkenhead - einen
Bahntunnel und zwei Straßentunnel. Über den Fluss fährt
die Mersey-Fähre, berühmt geworden durch den Song Ferry
Cross the Mersey von Gerry and the Pacemakers'. Er wird jedes
Mal gespielt, kurz bevor die Fähre im Hafen anlegt. Eine Fahrt
mit der Fähre nach Birkenhead lohnt sich, da man an Bord begrüßt
wird, als ob man zu einer Überseereise aufbricht und mit der Silhouette
von Liverpool vertraut gemacht wird.
Life goes on day after day
Hearts torn in every way
So ferry 'cross the Mersey
'Cause this land's the place I love
And here I'll stay
Ein Weg durch die Innenstadt von Liverpool führt
vorbei am Cavern Club, Eleanor Rigby's Statue und den modernen Einkaufszentren,
den Ruinen der Kirche und geht zu der modernen katholischen Rundkirche
auf dem Hügel, die von den einheimischen Paddy's Wigwam'
genannt wird. Das soll eine Anspielung auf die Iren sein, die ja für
die Engländer die Ostfriesen der Britischen Inseln und etwas slow'
im Kopf sind. Iren, die nach Amerika auswandern wollten, mussten zuerst
einmal zum Hafen nach Liverpool kommen. Da einige aber nach der Fahrt
über die Irische See glaubten, bereits in der "Neuen Heimat"
zu sein, blieben sie hier und bildeten eine der größten Minderheitengruppe
in der Stadt. Die Anglikanische Kathedrale besitzt zwei Superlative,
es ist die größte anglikaniche Kathedrale von GB, mit den
höchsten gotischen Bögen, der größten Orgel und
dem schwersten Glockengeläut auf der Welt. Sie wurde von dem damals
22 Jahre alten Giles Gilbert Scott entworfen, 1904 begonnen und 1978
vollendet. Sie steht am Südende von Hope Street.
Und noch eine Geschichte hält sich in Liverpool: dass Adolf Hitler
hier eine Zeitlang im Hotel Adelphi arbeitete. Es soll sogar noch ein
paar Schlittschuhe im Eislaufhalle geben, die von Hitler stammen. Diese
Episode wird auch von der Schriftstellerin Beryl Bainbridge in ihrem
Roman Young Adolf beschrieben.
Wenden wir uns nun aber noch einmal dem größten
Werbeträger der Stadt, den Beatles. zu. Man kann eine Magical
Mystery Tour' buchen, eine zweistündige Fahrt zu den bedeutesten
Stätten der Beatles in Liverpool. Bereits der Bus erinnert an die
Hippie-Zeit der Beatles in den Jahren 1967/68, an das Album und den
Film Magical Mystery Tour. Die Fahrt führt vorbei an der
Straße, in der Ringo Starr aufwuchs. Weiter geht es zur berühmten
Penny Lane. Nächste Station ist der Friseur der Beatles.
Ob hier tatsächlich die berühmte Beatles-Frisur kreiert wurde,
ist zweifelhaft. Als typisch englisches Wohnhaus präsentierte sich
das Geburtshaus von George Harrison.
Der Song Strawberry Fields ist allen bekannt, wobei der tatsächliche
Namensgeber dieses Songs ein Waisenhaus am Rande Liverpools ist. Dann
sieht man das Haus, in dem in den ersten Jahren John und Cynthia gelebt
und in dem Julian geboren wurde. Paul McCartney's Geburthaus in Forthlin
Road No. 20, Allerton, steht unter Denkmalsschutz, wurde vom National
Trust erworben und ist mittlerweile der Öffentlichkeit zugänglich.
Die Tour endet am Cavern Club in der Mathew Street.
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